Eine Woche Yukon und 300km Zweisamkeit im Kanu haben wir bereits hinter uns, als wir in Calgary, der Industriemetropole im Westen Kanadas, landen. Zum jährlich stattfindenden Stampede, der größten Rodeoshow der Welt, ist die Stadt voll mit Cowboy Enthusiasten, am Campingplatz erfahren wir dann die kanadisch- amerikanische Lebensart zu zelten, LKW-große Wohnmobile, sogenannte Recreational Vehicles (RV) füllen das riesige Areal. Nach der Verwunderung über die ungewöhnlichen Größenverhältnisse steuern wir einen Supermarkt an, um unseren ausgeliehenen Mini-Van in einen Vorratsschrank für unsere dreiwöchige Tour durch die kanadischen Nationalparks zu verwandeln.
„Wildlife ahead!“, „Wildlife crossing!“, in regelmäßigen Abständen werden wir vor Wildtieren gewarnt, als wir auf der Autobahn Richtung Banff unterwegs sind. Im Zentrum des gleichnamigen ältesten Nationalpark Kanadas drängen sich jährlich fünf Millionen Touristen. Wir decken uns mit Bärenspray und Genehmigungen fürs „Back country“ Camping, dem Zelten abseits organisierter Campingplätze, ein. Die Warnungen vor Grizzly- und Schwarzbären sind allgegenwärtig, genauso wie bärensichere Essens- und Mülltonnen.
Der überfüllte Campingplatz in Lake Louise ist mit einem umlaufenden Elektrozaun gesichert, eine Schwarzbären-Familie soll sich hier herumtreiben.
Am Moraine Lake schlängeln wir uns an den Tagestouristen vorbei, um über den Sentinel Pass ins idyllische Paradise Valley zu gelangen. Am sogenannten Giant Step, einer Wasserfall-Kaskade, schlagen wir unser Zelt auf. Beim Abendessen aus dem vom Benzinkocher verrußten Stahltopf haben wir die Umgebung ganz genau im Auge, um auf etwaige Bärenbesuche vorbereitet zu sein. Neben den Essensvorräten kommt danach auch die beim Essen getragene Kleidung in den Rucksack und mit dem Seilzug auf den Bärensicheren Baum. Das enge Zelt teilen wir uns mit Bärenspray in Griffweite.
Unsere Vorsicht ist nicht unbegründet. Am nächsten Tag wird das ganze Gebiet wegen erhöhter „Bärenaktivität“ geschlossen. Wir sind lediglich auf Stachelschweine, Stechmücken und unzählige Erdhörnchen getroffen.
Von Lake Louise geht es den Icefield Parkway entlang hinauf zum 2088m hoch gelegenen Bow Pass zum Columbia-Eisfeld und weiter nach Jasper. Die 230 km lange Strecke soll eine der schönsten Fernstraßen der Welt sein. Alle paar Minuten heißt es aussteigen, um zu Fuß die zahlreichen Bergseen mit Gletscherblick zu erkunden. Staunend beobachten wir immer wieder Touristen, die in Flip Flops und mit Star-Bucks Café von einem Naturwunder zum nächsten fahren. Mit unseren Bergschuhen und der Outdoorbekleidung bilden wir eine Minderheit.
Unsere nächste Zweitagestour führt uns von Jasper zu den Amethyst Lakes, wo wir unsere Angel auspacken und auf unser Mittagessen warten. Vergeblich, im trüben Wasser sind die Fische nicht genau auszumachen, zusätzlich zweifeln wir daran, den richtigen Köder zu verwenden. Am Abend essen wir daher am romantischen Lagerfeuer wieder Kartoffeln und Chili aus der Dose.
Mit viel Glück haben wir einen Zeltplatz am Lake O ́Hara im Yoho National Park ergattert. Normalerweise muss monatelang im Voraus reserviert werden. Viele sagen, dies sei der schönste Platz auf Erden, erklärt uns die bestimmende Park Rangerin, auch der Tagesbesuch ist sehr eingeschränkt. Wir dürfen drei Tage in diesem naturbelassenen Gebiet verbringen und durchwandern es mit seinen vielen kleinen Seen, Gletschern und Wasserfällen, vielleicht wirklich der schönste Platz der Welt. Nach einer weiteren Tour vom türkisblauen Emerald Lake zu dem spektakulären Takkakaw Wasserfall mit seinen 384m Fallhöhe und den Twin Falls treten wir die Weiterfahrt über den Yellohead Highway nach Vancouver an.
Futuristische Hochhäuser an inselreichen Fjorden und vor der schneebedeckten Kulisse der Coast Mountains, so präsentiert sich uns die Weltstadt Vancouver. Nicht zuletzt wegen der olympischen Winterspiele 2010 hat sich sowohl die Skyline erneuert als auch die urige Altstadt „Gastown“ mit ihrem kleinen Lokalen und Boutiquen. Mit dem ausgeliehen Fahrrad lässt sich der riesige Stanley Park am Besten erkunden. An den verschiedenen Stränden tummeln sich unerschrockene Einheimische im kalten Pazifik.
Nach vier Wochen Kanada muss ich meine Freundin nach Hause schicken und starte nun allein wieder nach Norden in Richtung Mount Robson, dem König der Kanadischen Rockies mit seinen knapp 4000m? ?
Nach der ersten Nacht beim Lake Kinney geht’s über das Tal der tausend Wasserfälle hinauf zum Lake Berg und dem Berg Glacier. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Bereits um fünf Uhr Früh zeigt sich der sonnenbestrahlte Gipfel des Mount Robson im spiegelglatten Lake Berg, immer wieder bricht Eis vom Berg Glacier und treibt im See.
Von einer vollständig anderen Seite zeigt sich Vancouver Island. Sie ist der Westküste Kanadas vorgelagert und die größte Pazifikinsel Nordamerikas.
Der bekannte „West Coast Trail“ im Pacific Rim National Park soll eine der schönsten und härtesten Trekkingtouren der Welt sein. Ursprünglich wurde er um 1907 geschaffen, um schiffbrüchige Seeleute sicher ins Landesinnere zu bringen. Nach einer Instandsetzung muss nun die Zahl der Aspiranten stark eingeschränkt werden. Jährlich drängen sich 6000 Trekking-Enthusiasten aus der ganzen Welt auf die 75 km zwischen Port Renfrew und Bamfild. Nach der ausführlichen Unterweisung über die Gefahren des Weges wird mir eine Gezeitentabelle ausgehändigt, ein Großteil des Weges führt am Strand entlang und ist daher nur zu bestimmen Zeiten machbar.
Tausend Jahre alte Zedernbestände wechseln sich mit Resten von Schiffskatastrophen ab, bevor nach einem langen Tag das Zelt am Strand aufgeschlagen werden kann. Am Lagerfeuer wird dann der Tag mit Meeresrauschen und einem Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten beendet. Nach knapp einer Woche Urwald- und Küstentrekking komme ich wieder in Viktoria, der Hauptstadt British Columbias, an. Als sich zum Fünf-Uhr-Tee die Stadt mit Folklore und Dudelsackmusik ihrer britischen Vergangenheit erinnert, verabschiede ich mich still von Kanada.
Viele Straßen in den Kanadischen Rockies sind aufgrund ihrer Höhenlage von über 2000m nur von Juni bis September befahrbar.
Ausrüstung:
Die Nächte im Zelt können mit wenigen Plus-Graden empfindlich kalt werden. Obwohl die Temperaturen zur Mittagszeit auch sommerliche Werte erreichen können, empfiehlt sich die Mitnahme üblicher warmer Trekking-Kleidung in mehreren Schichten. Gas und Benzin für die jeweiligen Kocher sind in Outdoor Läden wie der Kette „Canadian Tire“ oder vor Ort erhältlich. Mit dem notwendigen Mückenschutz und dem empfohlenen Bärenspray kann man sich ebenfalls vor Ort eindecken.
Gefahren: Obwohl ständig über die Gefahr von Bären informiert wird, halte ich das Risiko für eine gefährliche Begegnung zumindest in den touristischen Gegenden für gering. Ein vor Ort erhältlicher Bärenspray hilft im Fall des Falles. Auf einen wirksamen Mückenschutz sollte nicht verzichtet werden.